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  • Ausgabe242 

Afrikas demografische Vorreiter

  • Bevölkerungsentwicklung in Afrika Demografische Dividende Internationale Demografiepolitik

Äthiopien, Kenia, Botsuana, Ghana, Senegal, Marokko und Tunesien. Auf den ersten Blick scheinen diese afrikanischen Staaten wenig gemeinsam zu haben. Sie liegen in verschiedenen Regionen des Kontinents, sind geschichtlich und kulturell unterschiedlich geprägt und weisen einen jeweils anderen Entwicklungsstand auf. Trotzdem eint die sieben Länder etwas: Sie haben in den letzten Jahrzehnten einen raschen Rückgang der Kinderzahlen erlebt und weisen gegenüber dem afrikanischen Durchschnitt – oder zumindest im Vergleich zu ihren Nachbarländern – bereits niedrige Geburtenziffern auf.

Dies wirkt sich positiv auf ihre Entwicklungschancen aus: Denn wenn die Nachwuchszahlen sinken und die letzten geburtenstarken Jahrgänge ins Erwerbsalter hineinwachsen, stehen der Wirtschaft überproportional viele potenzielle Arbeitskräfte zur Verfügung, die nur wenige Kinder und Alte versorgen müssen. Diese vorteilhafte Altersstruktur, auch „demografischer Bonus“ genannt, lässt sich unter den richtigen Rahmenbedingungen in einen Entwicklungsschub übersetzen, in eine „demografische Dividende“. Einstmals armen asiatischen Staaten gelang es auf diesem Weg zu Schwellen- und Industrieländern aufzusteigen. Die sieben Vorreiterstaaten zeigen, dass dies auch in Afrika möglich sein könnte. Es lohnt sich also einen Blick darauf zu werfen, welche Einflussfaktoren dort den Fertilitätsrückgang befördert haben und welche Maßnahmen dazu beitrugen.

Andere Länder, ähnliche Fortschritte

Tunesien hat als erstes Land auf dem afrikanischen Festland die Altersstruktur des demografischen Bonus erreicht. Dort hatte die Regierung bereits in den 1960er Jahren die Stellung der Frauen in der Gesellschaft verbessert und in ihre Bildung investiert. Gepaart mit einem umfassenden Familienplanungsprogramm trug dies zu einem raschen Rückgang der Kinderzahlen bei: Während Frauen 1965 noch etwa sieben Kinder zur Welt brachten, sind es heute nur noch 2,2 und damit weniger als halb so viele wie im afrikanischen Durchschnitt.

In Äthiopien liegt die Geburtenziffer mit vier Kindern je Frau zwar noch deutlich höher als in Tunesien. Aber dank der Erfolge einer breit angelegten Entwicklungsstrategie erlebte das zweitbevölkerungsreichste Land Afrikas zwischen 1995 und 2015 den schnellsten Fertilitätsrückgang auf dem Kontinent und dürfte bis 2035 den demografischen Bonus erreichen. Dazu beigetragen hat die Regierung, indem sie in allen Gemeinden des Landes Gesundheitsstationen einrichtete und Tausende von Gesundheitshelferinnen ausbildete. Dadurch sank die Zahl der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag sterben, seit dem Millenniumswechsel um mehr als die Hälfte. Ein Rückgang der Kindersterblichkeit wiederum ist eine Voraussetzung dafür, dass die Menschen aus freien Stücken kleinere Familien planen.

Senegal ist mit einer durchschnittlichen Kinderzahl je Frau von 4,6 der Nachzügler unter den sieben betrachteten Ländern. Doch auch der 17-Millionen-Einwohner-Staat ist in jüngster Zeit zu einem regionalen Vorbild in Sachen Bevölkerungspolitik geworden. Die senegalesische Regierung hat vor allem in zwei Bereichen Maßnahmen ergriffen, die künftig zu sinkenden Geburtenziffern beitragen dürften: Sie verbesserte die Bildungsmöglichkeiten für die Jugend und erleichterte den Zugang zu Familienplanungsmethoden durch ein innovatives Verteilungssystem. Gelingt es diese Fortschritte zu verstetigen, hat Senegal ab 2060 die Chance auf einen demografiebedingten Entwicklungsschub.

Aus Erfahrungen lernen

Die Entwicklungen der beleuchteten Länder zeigen, dass es bereits positive Beispiele für eine erfolgreiche Demografiepolitik in Afrika gibt und wo die wesentlichen Stellschrauben liegen, um einen Fertilitätsrückgang einzuleiten oder zu beschleunigen. Dazu müssen die Regierungen im Gesundheitssystem und im Bildungssektor investieren, sowie die Weichen dafür stellen, dass Arbeitsplätze entstehen können. Zudem müssen sie den Zugang zu Mitteln der Familienplanung verbessern und für mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern sorgen.

Für afrikanische Staaten, die noch in den Anfängen ihrer demografischen Entwicklung stecken und hohe Kinderzahlen aufweisen, bieten diese Erfahrungen wichtige Lehren für eigene bevölkerungspolitische Maßnahmen. Auch sie müssen ihren Fertilitätsrückgang beschleunigen, um sich aus dem Kreislauf von hohem Bevölkerungswachstum und anhaltender Armut zu befreien. Die internationale Staatengemeinschaft sollte sie dabei gezielt unterstützen und die Thematik des Bevölkerungswachstums stärker ins Zentrum der außen- und entwicklungspolitischen Debatten rücken. Auch Deutschland kann seinen Teil dazu beitragen, sachliche Diskussionen darüber auf internationalem Parkett salonfähig zu machen.

Das Berlin-Institut dankt dem Auswärtigen Amt für die Finanzierung der Studie. Für den Inhalt der Studie trägt das Berlin-Institut die alleinige Verantwortung. 

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Wo Demografiepolitik Wirkung zeigt

Welche afrikanischen Staaten zu regionalen Vorreitern in Sachen Bevölkerungsentwicklung zählen können, zeigt ein Blick auf die Entwicklung wichtiger sozioökonomische Parameter. Dazu gehören vor allem die Kindersterblichkeit, der Bildungsstand – insbesondere bei Frauen – sowie die Einkommen, gemessen an den Armutsraten. Aber auch die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Urbanisierung, gesellschaftliche Normen und das politische Engagement der Regierungen für Familienplanung haben einen Einfluss darauf, wie viele Kinder die Menschen bekommen. Die aufgeführten sieben Länder weisen bereits eine vergleichsweise niedrige Fertilitätsrate auf oder bewegen sich gerade dorthin. © Berlin-Institut
Afrikas Staaten weisen in ihrer demografischen Entwicklung eine enorme Spannbreite auf. Vorreitern wie Marokko gelang es bereits früh, ihre Geburtenziffern zu senken und damit den Eintritt in den demografischen Bonus zu erreichen. Das Beispiel Äthiopiens zeigt, wie zielstrebige Maßnahmen auch heute zum Erfolg führen: Das einstige „Hungerland“ hat rasante Entwicklungsfortschritte gemacht, was die Kinderzahlen rasch sinken und einen demografischen Bonus näher rücken ließ. © Berlin-Institut
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