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  • Zur Bundestagswahl 2025 

Jung, wahlberechtigt und in der Minderheit

  • Demografischer Wandel

Premiere im Wahllokal: Für rund 2,3 Millionen junge Menschen ist die Bundestagswahl im Februar die erste, bei der sie über die Zusammensetzung des Parlaments mitentscheiden können. Die Gruppe der potenziellen Erstwähler:innen ist dabei so klein wie noch nie in den letzten zwei Jahrzehnten. Ihr Anteil an allen Wahlberechtigten liegt laut Statistischem Bundesamt bei knapp unter vier Prozent. Bei der Bundestagswahl 2002 waren es hingegen noch etwas über fünf Prozent mit rund 3,3 Millionen Erstwähler:innen. Das hat etwas mit dem vorgezogenen Wahltermin zu tun, vor allem aber mit dem demografischen Trend bei der Geburtenentwicklung. Und dieser setzt sich fort.

Aus dem Gleichgewicht

Wer am 23. Februar mit Stimmzettel und Stift die Wahlkabine betritt, ist mit größter Wahrscheinlichkeit weder Erstwähler:in noch unter 30. Denn aktuell gehören nur etwa 13 Prozent aller Wahlberechtigten der Altersgruppe der 18 bis 29-jährigen an. Damit ist ihr Anteil gegenüber der letzten Bundestagswahl erneut leicht gesunken. Lag dieser 2021 bei gut 14 Prozent, waren 2013 noch etwas über 16 Prozent der Wählerinnen und Wähler Teil dieser jüngsten Gruppe.

Dem steht ein immer größerer Anteil älterer Wahlberechtigter gegenüber. Über 40 Prozent von ihnen sind heute 60 oder älter. Auch innerhalb dieser Gruppe dominieren die Älteren: etwas über die Hälfte hat die 70 erreicht oder bereits überschritten. Der fortschreitende demografische Wandel verschiebt das Stimmgewicht der verschiedenen Generationen dabei immer stärker zugunsten der höheren Altersgruppen. Die im Vergleich geringere Wählermacht jüngerer Menschen bedeutet vor allem, dass ihre Interessen im politischen Betrieb systematisch unterrepräsentiert sind – heute und auch in Zukunft. 

Erstwähler, Zweitwählerin, Nichtwählende?

Was jüngere Menschen bereits rein zahlenmäßig zur Minderheit an der Wahlurne macht, wird durch einen weiteren Trend verstärkt: Die Alterskohorten sind nicht nur unterschiedlich stark in der Wählerschaft vertreten, sie nutzen ihr Wahlrecht auch in unterschiedlichem Maß.

Zurück also in die Wahlkabine: Wenn die frischgebackene Ruheständlerin dort Erst- und Zweitstimme verteilt, dann tut sie das sehr wahrscheinlich mit dem geübten Blick des langjährigen Profis. Denn wählen zu gehen gehört für die meisten in ihrer Generation ganz selbstverständlich dazu. Bei der letzten Bundestagswahl hatten Menschen zwischen 50 und 70 Jahren mit 80 Prozent die höchste Wahlbeteiligung. Bei den Jüngeren sieht es anders aus. Die Gruppe der unter 30-Jährigen nimmt ihr Wahlrecht seltener in Anspruch als andere Altersgruppen. Ihre Wahlbeteiligung lag 2021 mit rund 71 Prozent fast zehn Prozentpunkte niedriger. Auch deshalb sind in der Wahlkabine weniger jüngere Wählerinnen und Wähler anzutreffen.

Einen etwas höheren Anteil junger Wahlberechtiger gab es bei der Europawahl 2024. Dort durften in Deutschland in diesem Jahr zum ersten Mal auch die 16- und 17-Jährigen ihre Stimme abgeben. Zwar setzt sich die Wähler:innenschaft dabei etwas anders zusammen, erste Untersuchungen zum Wahlverhalten, wie zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen, zeigen aber ganz ähnliche Unterschiede bei der Beteiligung von Alt und Jung.

Wer zur Wahl geht und wer zuhause bleibt, hängt auch von anderen Faktoren ab. Die Wahlforschung zeigt: Menschen, die etwa bei Einkommen oder formalen Bildungsabschlüssen vergleichsweise schlecht dastehen, bleiben der Wahlurne tendenziell häufiger fern als Angehörige der bessergestellten Schichten. Ähnlich wie die Jüngeren in der Gesellschaft sind deshalb auch sozioökonomisch schlechter gestellte Gruppen politisch unterrepräsentiert. Noch schlechter steht es nur um die politische Repräsentation und Teilhabe der Menschen in Deutschland ohne deutschen Pass. Sie haben kein Wahlrecht für den deutschen Bundestag.   

Wer die Wahl hat

Anfang 2025 steht nun also die kleinste Kohorte potenzieller Erstwähler:innen der letzten zwanzig Jahre vor der Entscheidung, zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl ihre Stimme abzugeben. „Wird sich das für mich lohnen?“, könnten sich diese jungen Menschen fragen. Denn die Aussichten auf eine starke Repräsentation ihrer Interessen sind schlecht. Zwei Hauptursachen dafür, die demografische Entwicklung und die geringe Wahlteilnahme, verstärken sich dabei gegenseitig. Nur für eine davon haben die jungen Neuwähler:innen die Lösung selbst in der Hand. Für die andere muss eine Gesellschaft, die generationengerecht und fit für die Zukunft sein möchte, noch größere Anstrengungen unternehmen. Vor allem Entscheidungsträger:innen auf Bundesebene sollten einer Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des demografischen Wandels auf diesen Kernbereich unserer Demokratie endlich die notwendige Priorität einräumen.   

Ansprechpartner:innen

Dr. Frederick Sixtus

Projektkoordinator Demografie Deutschland

Telefon: 030 - 31 10 26 98

E-Mail schreiben: sixtus@berlin-institut.org

© Berlin-Institut

Claudia Härterich

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: 030 - 22 32 48 45

E-Mail schreiben: haerterich@berlin-institut.org

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