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  • Ausgabe 235 

Deutschlands entscheidende Generation

© Berlin-Institut

Als Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder langsam auf die Beine kam und die Menschen mit neuer Zuversicht in die Zukunft blicken konnten, machte sich die neue Zeit auch demografisch bemerkbar. Die Menschen bekamen wieder mehr Nachwuchs: In den 1950er und 1960er Jahren kamen die sogenannten Babyboomer zur Welt, die heute als Kohorte rund 30 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen – also einen überproportional hohen Anteil stellen. 1964, zum Höhepunkt des Babybooms kamen in Deutschland Ost und West über 1,3 Millionen Kinder zur Welt. Heute sind es nur noch gut halb so viele.

Die Babyboomer eint somit die Erfahrung, dass es dort, wo sie in Erscheinung traten, immer voll war – in der Schule, in der Ausbildung, bei der Suche nach einer Wohnung oder nach einem Job. Sie haben darüber hinaus gemeinsam die Bildungsexpansion der 1970er Jahre oder die Frauen- und Umweltbewegung erlebt. 

Von ihrer Vorgängergeneration unterscheiden sich die Babyboomer vor allem dadurch, dass sie deutlich weniger Nachwuchs in die Welt gesetzt haben als noch ihre Eltern. Lag die durchschnittliche Kinderzahl je Frau Mitte der 1960er Jahre noch bei 2,5, so waren es Mitte der 1990er nur noch 1,4. Aus diesem Geburtenschwund und der Tatsache, dass die Menschen aufgrund besserer Daseinsbedingungen immer länger leben, ergibt sich zwangsläufig eine alternde Gesellschaft – mit allen Vor- und Nachteilen. Die Vorteile liegen auf der Hand, denn wer heute das Ruhestandsalter erreicht, kann damit rechnen, sich noch weitere 20 bis 30 Jahre einer vergleichsweise guten Gesundheit zu erfreuen. Die Nachteile werden spätestens dann deutlich, wenn um das Jahr 2035, zum Höhepunkt der Verrentungswelle der Babyboomer, jeder Jahrgang, der sich in den Ruhestand verabschiedet, doppelt so groß sein wird, wie jeder Nachwuchsjahrgang, der ins Erwerbsleben hineinwächst. 

 

Noch sind die starken Jahrgänge ein volkswirtschaftlicher Gewinn

Derzeit profitiert das ganze Land noch von diesem demografischen Wandel: Weil die Babyboomer im Schnitt gut qualifiziert sind und Männer wie Frauen häufig und erfolgreich im Erwerbsleben stehen, erzielen sie hohe Einkommen und zahlen ausgiebig Steuern und Sozialbeiträge. Sie sind also hauptverantwortlich für die heutigen Rekordbeschäftigungszahlen im Land, für die gute Haushaltslage der öffentlichen Kassen und für Überschüsse in den Sozialsystemen. 

Doch mit dem Eintritt in den Ruhestand wird sich die Lage radikal verändern. Dann sinken die Einnahmen, während die Kosten steigen und die Kommunen stehen vor der Aufgabe, wachsende Zahlen von Rentnern und Pensionären angemessen mit Gesundheitsdiensten, mittelfristig auch mit Pflegediensten zu versorgen. Das gilt regional in unterschiedlichem Ausmaß, denn vor allem aus den neuen Bundesländern sind nach der Wende viele junge Menschen fortgezogen, während die Restbevölkerung überproportional gealtert ist. Im Osten Deutschlands, wo viele Menschen in den Umbrüchen der Wiederbereinigung zumindest vorübergehend ihre Arbeit verloren haben, ist es zudem um die soziale Absicherung schlechter bestellt als im Westen. 

Was kommt auf die Kommunen zu?

Eigentlich sind die Babyboomer finanziell gut aufgestellt, denn nie zuvor hat eine Generation mehr verdient. Sie haben zudem, schon allein aufgrund ihrer Anzahl, einen entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft. Sie stellen über 50 Prozent der gewählten Volksvertreter und sitzen heute an den Schaltstellen von Verwaltung und Unternehmen.

Diesen Einfluss könnten sie auch künftig behalten: Wer heute in den Ruhestand geht, hat meist eine große Berufserfahrung und fühlt sich nicht nur in der Lage, sondern oft auch getrieben, seine Fähigkeiten noch im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen – in Vereinen, Umwelt- oder Flüchtlingsinitiativen oder bei der Jugendarbeit. Viele Babyboomer nehmen ihr ehrenamtliches Engagement mit in den Ruhestand oder beginnen es dann neu. Um diese Bereitschaft der Zivilgesellschaft besser zur Geltung zu bringen, sollten die Kommunen interessierte Personen darüber informieren, wo sie sich nützlich machen können, ihnen Fortbildung und einen Austausch mit Gleichgesinnten anbieten. Wichtig ist vor allem das Engagement von und für die Älteren, deren Zahl künftig deutlich steigen wird. Alten-WGs oder Mehrgenerationenhäuser, Netzwerke von älteren Engagierten und die Zusammenarbeit mit professionellen Einrichtungen können hier die zivilgesellschaftliche Arbeit unterstützen.

Auch wenn die Babyboomer nun nach und nach das Erwerbsleben verlassen, so werden sie auch künftig maßgeblich die Gesellschaft mitgestalten – ob in politischen Ämtern oder durch ihr lokales Engagement. Doch es hängt vor allem von ihnen selbst ab, wie wichtig sie für die Gesellschaft sein werden und ob die jüngeren Generationen sie als Belastung oder als Bereicherung wahrnehmen. Im besten Fall werden die Babyboomer in ihrem neuen Lebensabschnitt Ideen und Ansätze finden, wie sich das Zusammenleben in einer alternden Gesellschaft im Sinne aller Generationen organisieren lässt.

Das Thesenpapier "Die Babyboomer gehen in Rente. Was das für die Kommunen bedeutet.“ steht Ihnen gratis als Download zur Verfügung.

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Mehr alte Menschen

Zurzeit befinden sich die großen Geburtsjahrgänge der 1950er und 1960er Jahre noch im erwerbsfähigen Alter. Nach und nach verabschieden sie sich nun in den Ruhestand. Der Höhepunkt der Babyboomer-Verrentung liegt um das Jahr 2030. Die nachrückenden Jahrgänge der unter 20-Jährigen, also die kommende Nachwuchsgeneration für den Arbeitsmarkt, kann dann die in den Ruhestand wechselnden Personen nur etwa zur Hälfte ersetzen. © Berlin-Institut
Männer und Frauen, aber auch Ost- und Westdeutsche unterscheiden sich in ihrem Engagement. Während westdeutsche Männer zwischen 50 und 64 die höchsten Quoten aufweisen, liegen jene von ostdeutschen Frauen über 65 Jahren am niedrigsten. Ab dem 65. Lebensjahr gehen die Engagementquoten zwar zurück, allerdings deutlich weniger als früher. Viele Neu-Rentner nehmen ihre freiwillige Tätigkeit in den Ruhestand mit und sorgen so für steigende Quoten unter den über 64-Jährigen. © Berlin-Institut

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Colette Rose

Projektkoordinatorin Internationale Demografie

Telefon: 030 - 31 01 95 91

E-Mail schreiben: rose@berlin-institut.org

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