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  • Ausgabe 246 

Urbane Dörfer – wie digitales Arbeiten neue Bewohner aufs Land bringen kann

  • Lebensverhältnisse in Stadt und Land
© Berlin-Institut

Viele ländliche Regionen in Ostdeutschland sind demografisch angeschlagen und leiden unter Abwanderung. Besonders junge Menschen verlassen ihre Heimatdörfer und drängen in die Städte. Berlin, Potsdam, Leipzig und Dresden ragen zusammen mit ihrem Umland wie Wachstumsinseln aus einem Meer des Schrumpfens heraus. Das Landleben rückt neuerdings in den Fokus eines urban geprägten Milieus. Stadtbewohner treffen sich bei sogenannten Meetups und diskutieren darüber, wie sich neue, flexible Formen digitaler Arbeit mit einem Leben auf dem Land verbinden lassen. Einige von ihnen sind schon mittendrin: Sie entwickeln und erproben in Dörfern und Kleinstädten Ostdeutschlands neue Formen gemeinschaftlichen Wohnens und Arbeitens, die bislang vor allem aus den Städten bekannt sind.

Viele der von uns interviewten Projekte haben sich in Brandenburg einen neuen Wohn- und Arbeitsort geschaffen. Denn Berlin strahlt besonders aus. Die Hauptstadt ist in den letzten Jahren immer enger und voller geworden, die Preise auf dem Wohnungsmarkt steigen und die Freiräume, die das innovative und kreative Milieu der Spreemetropole lange geprägt haben, verschwinden immer mehr. In anderen Städten, besonders wenn sie noch ausreichend Platz bieten, ist dagegen bislang noch kein wachsender Trend Richtung Landleben auszumachen.

Die ländlichen Gemeinschaftswohnprojekte nehmen sich meistens großer, leerstehender Immobilien und Grundstücke an. Sie nutzen für ihre Ideen neuen ländlichen Lebens alte Fabriken und Mühlen, Krankenhäuser und Berufsschulen, Klosteranlagen und Landgüter bis hin zum ehemaligen Dorfkonsum und Plattenbauten der LPG. Auch für Gemeinden kann das ein Gewinn sein. Denn sie müssen alte, baufällige Gebäude oft auf eigene Rechnung abreißen lassen .Für Wohnprojekte bedeuten diese Immobilien vor allem viel Platz und Freiraum für die vielfältigen Ideen, die letztendlich wieder mehr Leben in den Ort bringen können.

Digitales Arbeiten als Umzugshelfer

Es ist nicht der Job, der die Menschen aufs Land zieht, sondern die Attraktivität des neuen Wohnortes und die Gestaltungsmöglichkeiten im Wohnprojekt. Dies bedeutet für die Umzugswilligen allerdings, dass sie nach Lösungen suchen müssen, wie sie ihre berufliche Tätigkeit auch in der neuen dörflichen Umgebung ausüben können oder wie sie sich dort ein wirtschaftliches Standbein schaffen. Viele der Neulandbewohner arbeiten in Wissens- und Kreativberufen – von den klassischen Digitalarbeitern wie Programmierern und Grafikdesignern bis hin zu Architekten, Journalisten, Sozialwissenschaftlern oder Kulturmanagern. Sie bringen eine wichtige Voraussetzung für das Landleben mit: Sie können einen Großteil ihre Arbeit von überall her erledigen – also auch am heimischen Computer auf dem Land.

Uns sind im Wesentlichen vier verschiedene Modelle begegnet, wie die neuen Landbewohner ihr Arbeitsleben mit dem neuen Wohnort zusammenbringen. Diejenigen, die ihre Arbeit digital und örtlich flexibel erledigen können, nutzen diese Chance und arbeiten ganz oder teilweise im Homeoffice. Wer in einem Beruf arbeitet, der auch im ländlichen Raum gefragt ist, wie zum Beispiel Lehrer oder Pflegekräfte, sucht sich vor Ort eine neue Stelle. Doch nicht jeder erhält ein solches Angebot oder findet schnell die gewünschte Arbeitsstelle auf dem Land. Dann bleibt zunächst das Pendeln in die Stadt. Doch viele der neuen Landbewohner wollen früher oder später ganz aufs Pendeln verzichten. Wer sich vor Ort keinen neuen Arbeitsplatz suchen will beziehungsweise keinen findet und auch nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten kann, geht beruflich neue Wege. In den Wohnprojekten gibt es für viele endlich Platz für eine eigene Praxis oder Werkstatt, um sich selbstständig zu machen. Aber auch andere Bewohner bauen ihre freiberufliche Tätigkeit thematisch weiter aus und besetzen Geschäftsfelder, die auch ihr neues ländliches Lebensumfeld betreffen.

Städter bringen vielfältige Ideen mit

Die ländlichen Gemeinschaftsprojekte werden nie als reine Wohnprojekte geplant. Die ehemaligen Stadtbewohner kommen mit vielfältigen Ideen und Vorstellungen für ihren neuen Wohnort. Die Angebote richten sich zum einen an den persönlichen Interessen und Bedarfen der Bewohner, können aber auch dazu beitragen Versorgungslücken auf dem Land zu schließen und das Leben vor Ort zu verbessern. Um zum Beispiel ihre digitalen und örtlich flexiblen Tätigkeiten nicht alleine erledigen zu müssen, haben einige der Wohnprojekte Coworking Spaces gegründet, in denen sich sowohl die anderen Projektmitstreiter, als auch Menschen aus der Region einen Schreibtisch einrichten können. Andere Projekte planen aber auch gemeinsam mit der Dorfbevölkerung, die alte Dorfscheune als gemeinschaftlichen Treffpunkt und Veranstaltungsort wiederzubeleben, denken über Hofläden zur Verbesserung der Nahversorgung mit ökologischen und regionalen Lebensmitteln nach oder suchen nach Möglichkeiten, wie man auch ohne Auto auf dem Dorf mobil bleiben kann, vom Carsharing bis zur Mitfahr-App.

Periphere Speckwürfel als Chance

Ob die neue Landlust unter den ehemals stadtaffinen, digital arbeitenden Menschen ein Zeichen für eine neue neue Bewegung „Raus aufs Land“ ist, lässt sich mit dieser Studie nicht abschließend beantworten. Viele der Projekte aus unserer Untersuchung stehen noch am Anfang und müssen erst noch beweisen, ob sie wirklich zu mehr Zuzug in ländliche Regionen Ostdeutschlands beitragen können. Es zeigt sich aber, dass diese Projekte immer wieder auch Menschen aus den Städten hinaus aufs Land locken, um dort Kunst- und Kulturfestivals zu besuchen oder in neu entstandenen Coworking Spaces eine kreative Auszeit von der Großstadt zu nehmen. Gemeinden und Regionen können so in den Fokus anderer „Landinteressierter“ rücken, die über einen Umzug raus aus der Stadt nachdenken. Vielleicht sind die neuen Gemeinschaftsprojekte nicht die Chance für den gesamten ländlichen Raum, aber vielleicht für einzelne Regionen und Gemeinden.

Die Studie „Urbane Dörfer – Wie digitales Arbeiten Städter aufs Land bringen kann“ wird gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie.

Links & Downloads

13 der 18 von uns interviewten Gemeinschaftswohnprojekten haben sich einen neuen Wohn- und Arbeitsort in Brandenburg geschaffen. In Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern haben sich dagegen noch keine landlustigen Städter niedergelassen, die in unser Raster gepasst haben. Einige der Projekte existieren schon seit einigen Jahren und sind schon im ländlichen Alltag angekommen. Andere Projekte stehen dagegen noch ganz am Anfang und setzen ihren Traum vom Landleben in Gemeinschaft noch in die Realität um. © Berlin-Institut
Die neuen Dorf- und Kleinstadtbewohner bauen sich nicht nur ihr eigenes Projekt auf, sondern kommen mit Ansprüchen und Erwartungen an ihr neues Wohnumfeld. Statt sich mit einer lückenhaften Versorgung zufrieden zu geben, machen sich die Projekte Gedanken, wie sie bestimmte Lücke schließen können. Die Ideen reichen vom Dorfladen mit angeschlossenem Hofcafé, über Carsharing Angebote und Mitfahr-Apps, hinzu geteilten Arbeitsräumen und Coworking Spaces. © Berlin-Institut

ANSPRECHPARTNER:INNEN

Nele Disselkamp

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Telefon: 030 - 31 01 73 24

E-Mail schreiben: disselkamp@berlin-institut.org

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Emily Ring

Duale Studentin

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