Erwerbszuwanderung

Der Fachkräftemangel ist ein drängendes Thema der Arbeitsmarktpolitik. Unter anderem in Bereichen wie IT, dem Gesundheitswesen oder dem Handwerk fehlen qualifizierte Mitarbeiter:innen – und das hat demografische Gründe. Denn die Zahl der Erwerbsfähigen geht zurück, viele erfahrene Arbeitskräfte stehen kurz vor der Rente.

Ohne Zuwanderung wäre die erwerbsfähige Bevölkerung in Deutschland schon seit Jahrzehnten rückläufig. Die Zuwanderung von Arbeitskräften ist aus demografischer und ökonomischer Sicht ein zentraler Ansatz, wenn es darum geht, den Fachkräftemangel einzudämmen und den Wohlstand zu sichern. Die Positionen der Parteien gehen beim Thema Fachkräftemangel und Erwerbszuwanderung weit auseinander.

SPD

Die SPD erkennt an, dass aufgrund des demografischen Wandels die Zuwanderung von Fachkräften notwendig ist und möchte die weltweite Anwerbung und die Integration von Fachkräften ausbauen. Dafür schlägt die SPD vor, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz weiterzuentwickeln. Konkret bedeutet das zunächst eine vereinfachte und schnellere Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen. Verwaltungsentscheidungen sollen zunehmend digitalisiert werden. Im Unterschied zur CDU/CSU setzt die SPD grundsätzlich auf mehr Flexibilität bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Beispielsweise ist vorgesehen, dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz künftig auch für diejenigen greift, die als Geflüchtete keinen Schutzstatus erhalten haben, jedoch straffrei sind und sich in den Arbeitsmarkt integrieren möchten.

CDU/CSU

CDU und CSU sprechen sich grundsätzlich für die Gewinnung von Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausland aus, betonen aber eine klare Trennung zwischen Asyl- und Arbeitsmigration. Die Unionsparteien schlagen vor, die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen durch Digitalisierung zu beschleunigen und zu vereinfachen. Dazu wollen sie eine digitale Bundesagentur für Einwanderung einrichten, die Aufgaben von der Prüfung der Einreisevoraussetzung und Visavergaben bis zur Arbeitsplatzvermittlung übernimmt. Die Parteien wollen neu ankommenden Ukrainer:innen kein Bürgergeld zahlen, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Sie gehen davon aus, dass die Ukrainer:innen dann schneller eine Arbeit aufnehmen und unabhängig von staatlichen Leistungen würden. Damit die Integration in den Arbeitsmarkt für alle ausländischen Arbeitskräfte besser gelingt, soll das Erlernen der deutschen Sprache zunehmend „on the job“ erfolgen. Darüber hinaus sprechen sich CDU und CSU dafür aus, grenzüberschreitendes mobiles Arbeiten innerhalb der EU für Arbeitnehmer:innen flexibel und rechtssicher zu ermöglichen, um die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu stärken.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen möchten die Fachkräfteeinwanderung stärken und sehen die Notwendigkeit, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vielfältig zu erweitern. Auch sie wollen die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufs- und Bildungsabschlüssen entbürokratisieren und vereinfachen. Hierzu wollen sie die Anerkennungsverfahren stärker digitalisieren. Die Grünen schlagen vor, eine sogenannte Einwanderungsagentur einzurichten. Ämter und Behörden sollen ihre Leistungen künftig verstärkt auch auf Englisch anbieten. Geflüchtete sollen durch frühzeitige Beratung und kurze Fristen künftig in die Lage versetzt werden, über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Arbeit zu kommen. Wenn Geflüchtete schneller nicht mehr auf das Bürgergeld angewiesen sind, würde das auch den Haushalt entlasten.

FDP

Die FDP erkennt die Bedeutung der Erwerbszuwanderung an und fordert eine Neuorganisation behördlicher Verfahren. Sie setzt auf eine ökonomisch orientierte Einwanderungspolitik. Konkret schlägt die Partei dafür vor, einen sogenannten „One-Stop-Shop“ einzuführen, der den gesamten Einwanderungs- und Integrationsprozess in den Arbeitsmarkt koordinieren soll. Für die Anwerbung explizit von Fachkräften möchte die FDP künftig den weltweit besten 200 Hochschulabsolvent:innen ein einjähriges Orientierungsvisum zur Arbeitsfindung in Deutschland anbieten. Außerdem soll die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Arbeitnehmer:innen innerhalb der EU mobiler und zugänglicher gestaltet werden. Die FDP spricht sich dafür aus, die Blue Card auf die Anwerbung nicht-akademischer Fachkräfte auszuweiten. Darüber hinaus soll für Staatsangehörige, die unter die Westbalkanregelung fallen, der Zugang zum Arbeitsmarkt weiter ausgebaut werden. Die Freie Demokraten fordern zudem, dass anerkannte Flüchtlinge, darunter auch Ukrainer:innen, schnellstmöglich Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Als Maßnahme ist dafür vorgesehen, das Bürgergeld abzuschaffen und stattdessen einen neuen sozialrechtlichen Status einzuführen. Dieser soll die Arbeitsaufnahme gezielter fördern und mit reduzierten Sozialleistungen einhergehen.

AfD

Die AfD erkennt den Fachkräftemangel zwar als ein Problem an, sieht jedoch in der Erwerbszuwanderung grundsätzlich keine geeignete Lösung dafür. Stattdessen fordert sie eine Neuausrichtung des europäischen Rechts, um nationale Handlungsmöglichkeiten zurückzugewinnen. Konkret strebt die Partei an, die EU-Personenfreizügigkeit neu auszurichten und die EU-Zuwanderung stärker zu kontrollieren. Grundsätzlich werden junge Menschen, Arbeitslose, ältere Arbeitnehmer:innen aus Deutschland bevorzugt, um die Lücke von fehlenden Arbeitsplätzen zu schließen. Die Anwerbung von Arbeitskräften aus Dritt- oder EU-Staaten soll erst dann eine Möglichkeit darstellen, wenn zahlreiche andere Optionen zur Gewinnung von Erwerbstätigen ausgeschöpft sind.

Die Linke

Für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt fordert Die Linke eine schnellere Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen aus anderen Ländern. Insbesondere Kommunen seien bei dieser Integrationsaufgabe deutlich besser zu unterstützen, um eine gerechtere Verteilung zugewanderter Fachkräfte zu gewährleisten. Darüber hinaus spricht sich Die Linke dafür aus, dass Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse unabhängig von der Beschäftigungsdauer und dem Arbeitgeber erteilt werden und Geflüchtete ab Tag eins ihrer Ankunft uneingeschränkte Arbeitsrechte erhalten sollen. Mit Blick auf faire Arbeitsbedingungen setzt sich Die Linke dafür ein, dass ausländische Arbeitskräfte, besonders in der Pflege, zukünftig nicht weiter ausgebeutet werden. Sie fordert dahingehend eine klare Regulierung, da prekäre Arbeitsverhältnisse ausländischer Pflegekräfte, oft ohne geregelte Arbeitszeiten oder Mindestlohn, unzumutbar seien.

BSW

Das BSW erkennt den Fachkräftemangel in Deutschland an, hält es aber für verfehlt, in diesem Zusammenhang mehr Einwanderung zu fordern. Der Anwerbung ausländischer Fachkräfte wird laut BSW bislang zu große Bedeutung beigemessen. Dadurch gerieten nationale Ursachen des Fachkräftemangels aus dem Blick und blieben ungelöst. Diese sieht das BSW vorranging in einer nicht ausreichenden Qualifizierung der jungen Menschen in Deutschland. Dass die jüngeren Alterskohorten deutlich kleiner sind als jene aus der Generation ihrer Eltern und Großeltern wird hingegen nicht thematisiert. Eine Notwendigkeit für weitere Einwanderung besteht aus Sicht des BSW nicht, die Partei fordert eher, dass sich Deutschland aus dem Globalen Migrationspakt zurückziehen solle, den die Vereinten Nationen 2018 geschlossen haben, um internationale Migration zu gestalten.

Ansprechpartner

Dr. Frederick Sixtus

Projektkoordinator Demografie Deutschland

Telefon: 030 - 31 10 26 98

E-Mail: sixtus@berlin-institut.org

© Berlin-Institut

Adrián Carrasco Heiermann

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Telefon: 030 - 22 32 48 45

E-Mail: carrasco.heiermann@berlin-institut.org

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