Newsletter
  • Ausgabe 223 

Land mit Zukunft – Neue Ideen vom Runden Tisch

  • Lebensverhältnisse in Stadt und Land

„Die Großstädte boomen, das platte Land schrumpft“, diese Formel bringt die derzeitige demografische Entwicklung in Deutschland auf den Punkt. Sehr anschaulich zeigt sich diese Zweiteilung auch in Hessen: Während im Süden des Bundeslandes, im Rhein-Main-Gebiet, die meisten Gemeinden wachsen, schwindet die Bevölkerung abseits der Städte im Norden bereits seit einigen Jahren – mit sichtbaren Folgen. Leerstehende Ladenlokale, baufällige Wohnhäuser, geschlossene Gaststätten und verwaiste Haltestellen prägen vielerorts das Straßenbild.

© Berlin-Institut

Die Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand stößt in den ländlichen Schrumpfregionen häufig an Grenzen. Die Zivilgesellschaft kann zwar nicht alle Lücken füllen, aber einiges dazu beitragen, die Lebensqualität vor Ort zu verbessern und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Diese Überzeugung bildete den Ausgangspunkt für das Programm „Land mit Zukunft“ der Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ und der Herbert Quandt-Stiftung, für das sechs nordhessische Gemeinden ausgewählt wurden. Die Idee: Die Bürger selbst sagen, wo sie die größten Versorgungslücken sehen, um dann darauf zugeschnittene Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Das Angebot des Programms bestand darin, die Bewohner an Runden Tischen zusammenzubringen und sie beim Prozess von der Ideenfindung bis hin zu einem konkreten Vorhaben zu begleiten – mit Beratung und finanziellen Mitteln. 

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat das Programm begleitet und die Ergebnisse in der gleichnamigen Studie „Land mit Zukunft – Neue Ideen vom Runden Tisch“ zusammengefasst. Zwar zeigte sich, dass es wie bei jedem Pilotprojekt Verbesserungsbedarf gibt. Der Wechsel der Projektleitung zur Halbzeit sowie Unklarheiten bei den Förderrichtlinien und den Organisationsformen brachten einige Vorhaben zwischenzeitlich ins Stocken. Trotzdem sind in fast allen sechs Gemeinden Projekte entstanden – vom Bürgerbus über einen Kultursommer mit verschiedenen Veranstaltungen bis hin zu einem Jugendtreff.

Nicht nur beteiligen, sondern auch begleiten

Die im Rahmen der Studie befragten Engagierten in den sechs Kommunen empfanden insbesondere den ganzheitlichen Ansatz von „Land mit Zukunft“ als gelungen. Das Programm habe viele Bewohner ermutigt, über die Zukunft ihrer Gemeinde nachzudenken und nach Strategien für den Umgang mit den Auswirkungen des demografischen Wandels zu suchen. Dass die beiden beteiligten Stiftungen mit eigenen Mitarbeitern vor Ort waren, die Gespräche moderierten und gegebenenfalls externe Experten dazu holten, habe für ein praxisorientiertes und zielführendes Vorgehen gesorgt.

Geld allein reicht nicht

Die Erfahrungen aus dem Programm „Land mit Zukunft“ zeigen, dass finanzielle Mittel allein bei der Förderung des ländlichen Raums nicht ausreichen. Es gilt vielmehr Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Menschen vor Ort die Möglichkeit und den Freiraum geben ihr Umfeld aktiv mitzugestalten. Wenn Fördermittel nicht von vornherein zweckgebunden sind, wenn Hauptamtliche die Engagierten professionell begleiten und bei Bedarf, etwa wenn sich organisatorische oder rechtliche Hürden auftun, Experten hinzuziehen, fördert dies den wichtigsten Rohstoff auf dem Land: die tatkräftigen Menschen vor Ort.

Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs schrumpfte die Bevölkerung Nordhessens bereits fast kontinuierlich und deutlicher als jene Mittel- und Südhessens. Spätaussiedler aus der zerfallenden Sowjetunion, Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und Zuzügler aus der früheren DDR sorgten in den 1990er Jahren für ein demografisches Zwischenhoch, das jedoch in Nordhessen nicht lange anhielt. Im Jahr 2015 sorgte die große Zahl der Geflüchteten für ein neuerliches Bevölkerungswachstum, das aber nicht lange anhalten dürfte. © Berlin-Institut
Die Suche nach geeigneten Kommunen für das Programm „Land mit Zukunft“ erfolgte unter nordhessischen Gemeinden mit 3.000 bis 15.000 Einwohnern, die besonders ausgeprägt vom demografischen Wandel betroffen sind. Die Wahl fiel schließlich auf Bad Karlshafen, Homberg (Efze), Schlitz, Sontra, Tann (Rhön) und Waldeck. Hier fanden sich viele aktive Bürgerinnen und Bürger, die an Lösungsansätzen für die demografischen Herausforderungen mitarbeiten wollten. © Berlin-Institut
Damit Bürgerinnen und Bürger auf dem Land sich an der Entwicklung von Lösungsansätzen für ihren Ort beteiligen können, benötigen sie Anregungen, Erfahrungen aus anderen Orten und Expertenwissen. Engagierte müssen zudem wissen, wer ihnen helfen kann, wenn es zum Beispiel Förderanträge auszufüllen gilt. Unterstützung können nicht nur hauptamtliche Mitarbeiter in Verwaltungen, Freiwilligenagenturen oder Förderprogrammen bieten, sondern auch erfahrene Vorstandsmitglieder von Vereinen und anderen Organisationen. (Eigene Darstellung) © Berlin-Institut
nach oben