Arbeit und Beschäftigung

Engpässe machen sich breit

Mit dem Fall der Mauer erfuhr eine wachsende Zahl Ostdeutscher erstmalig, was es heißt, seinen Job zu verlieren und arbeitslos zu sein. Bis zum Höhepunkt im Jahr 2005 stieg diese Zahl auf mehr als 1,6 Millionen an, was einer Arbeitslosenquote von mehr als 20 Prozent entsprach. Erst dann entspannte sich die Lage und die Zahl der Menschen ohne Beschäftigung sank Jahr für Jahr – besonders schnell im Osten. 2019 betrug die Arbeitslosenquote im östlichen Teil der Republik noch sieben, im westlichen gerade einmal fünf Prozent. Nun ist sie bedingt durch die Corona-Krise wieder angestiegen. Im Juli 2020 lag sie bundesweit 1,3 Prozentpunkte über dem Vorjahreswert.

Viele Jahre ist der Arbeitsmarkt in Deutschland kontinuierlich gewachsen, doch nicht überall in der gleichen Geschwindigkeit. Ende 2019 gab es in Deutschland mehr als 45,5 Millionen Erwerbstätige, fast 6 Millionen mehr als Mitte der 2000er Jahre. Besonders kräftig entwickelte sich der Arbeitsmarkt in der Hauptstadt. Dort gab es 2019 ein Drittel mehr Erwerbstätige als 14 Jahre zuvor. Gering fällt der Zuwachs dagegen in strukturschwachen Regionen aus. In Sachsen-Anhalt hat die Zahl der Erwerbstätigen seit Mitte der 2000er Jahre um nicht einmal ein Prozent zugelegt, im Saarland gerade einmal um 3,5 Prozent. Auch in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern sieht es kaum besser aus. Dort tritt jedoch schon deutlich zutage, was künftig die meisten Regionen Deutschlands treffen dürfte: Die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte sinkt. Denn die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den nächsten Jahren in Rente und die nachwachsenden Generationen können zahlenmäßig die entstehende Arbeitskräftelücke nicht füllen. In den meisten ostdeutschen Gebieten kommt hinzu, dass ein Teil der Bevölkerung im Erwerbsalter in den 1990er und 2000er abgewandert und dadurch das potenzielle Personal noch schneller geschrumpft ist. Fachkräfteengpässe sind schon heute deutlich sichtbar und dürften sich demografisch bedingt zukünftig weiter verschärfen. Bis 2035 leben voraussichtlich nur in 31 von 401 Kreisen und kreisfreien Städten ähnliche viele Menschen im typischen Erwerbsalter zwischen 20 und 64 Jahren wie noch 2017.

Als Engpassberufe gelten die, bei denen weniger als 200 qualifizierte Arbeitslose auf 100 gemeldete offene Stellen kommen. Deutschlandweit waren 2019 fast vier von fünf Stellen in solchen Engpassberufen ausgeschrieben. Wo die Beschäftigung stark wächst, wie in Bayern, ist auch der Mangel an Fachkräften besonders ausgeprägt. Auch in vielen ostdeutschen Gebieten haben es Unternehmen heute schwerer Arbeitskräfte zu rekrutieren als noch 2014. In den Metropolregionen dagegen können Stellen noch einfacher besetzt werden.

 

Quellen:
Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (2019). Engpassquote. Berechnungen auf Basis von Sonderauswertungen der Bundesagentur
für Arbeit, 2019. Köln. www.kofa.de.

Slupina, M., Dähner, S., Reibstein, L. et al. (2019). Die demografische Lage der Nation. Wie zukunftsfähig Deutschlands Regionen sind. Berlin: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.
 

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