Zuwanderung und Arbeitsmarkt
Der Bedarf nach qualifizierter Zuwanderung steigt in Deutschland: Die deutsche Bevölkerung altert und immer mehr Menschen verlassen den Arbeitsmarkt in Richtung Ruhestand. Eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung ist die Folge. Unternehmen, etwa im Gesundheitswesen oder der Gastronomie, beklagen bereits heute, dass sie ihre Stellen nur schwer besetzen können. Fachkräfte aus dem Ausland können dabei helfen, diese Lücke zu verkleinern und durch ihre Erwerbsbeteiligung die Sozialsysteme stabilisieren. Die Bundesregierung muss darüber entscheiden, wie sie Zuwanderung regeln möchte. Dabei geht es etwa darum, wie viele Zugewanderte mit welchen Qualifikationen kommen sollen, welche Hilfsangebote sie brauchen, damit sie an Arbeitsmarkt und Gesellschaft teilhaben können und welche Mittel dafür bereitgestellt werden. Auch wenn Deutschland aktuell zu den wichtigsten Zielländern internationaler Migrant:innen gehört, haben es Zuwandernde oft nicht leicht: Die Gesetzeslage ist komplex, berufliche Qualifikationen werden häufig nicht anerkannt und mangelnde Sprachkenntnisse erschweren es ihnen, einen guten Job zu finden. Damit Deutschland attraktiver für internationale Arbeitskräfte wird und demografische Herausforderungen besser abfedern kann, sind weitere Anstrengungen nötig: Fachkräfte für bestimmte Branchen müssen konsequent angeworben werden, Unternehmen müssen bei der Suche nach Arbeitskräften im Ausland unterstützt werden und die Verfahren zur Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen sind zu vereinfachen. Integrationskonzepte können dazu beitragen, Verbesserungen für viele Menschen anzustoßen, um an der Gesellschaft in Deutschland besser teilzuhaben. Die Vorstellungen der Parteien gehen bei der Migrationspolitik deutlich auseinander. Sie haben die unterschiedlichsten Strategien entwickelt.
CDU/CSU
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, setzt sich die CDU/CSU für einen gesteuerten Zuzug „gut ausgebildeter und leistungsbereiter Menschen“ aus den Mitgliedstaaten der EU und aus außereuropäischen Staaten ein. Dazu möchte sie zum Beispiel ein Pilotprojekt umsetzen, das sogenannte Fachkräfteeinwanderungs-Attachés an ausgewählten deutschen Botschaften ernennt, welche über die qualifizierte Zuwanderung nach Deutschland intensiv informieren und zuwanderungswillige Fachkräfte unterstützen. Die CDU/CSU möchte Menschen mit Migrationsbiografie helfen, eigene Unternehmen zu gründen, indem sie in einem befristeten Programm Kenntnisse über Gründungsschritte, Kreditzugang und Zulassungsvoraussetzungen vermittelt. Der Prozess für die Anerkennung von Abschlüssen sowie die Zertifizierung von Qualifikationen sollen außerdem verbessert werden. Das dazugehörige Antragsverfahren soll beispielsweise digitalisiert werden, um den Vorgang zu beschleunigen. Außerdem möchte die CDU/CSU Schülern deutscher Auslandsschulen die Möglichkeit geben, ein Austauschjahr an einer Schule in Deutschland zu machen und sie durch Stipendien fördern.
SPD
Die SPD möchte allen Zugewanderten direkt nach ihrer Ankunft Integrations- und Beteiligungsangebote bereitstellen. Ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit und ihres Aufenthaltsstatus sollen sie von Tag eins unter anderem Sprachkurse besuchen dürfen. Kinder sollen die Möglichkeit haben, die Kita oder Schule zu besuchen. Die Partei möchte ein Partizipations- und Integrationsgesetz ins Leben rufen, das staatliche Institutionen zur interkulturellen Öffnung verpflichtet. Laut SPD solle über dieses Gesetz auch die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen geregelt und Entgeltgerechtigkeit geschaffen werden. Hürden für die Einbürgerung von Zugewanderten möchte die SPD abschaffen und die dafür geltende Regelaufenthaltsdauer von bisher acht Jahren verkürzen. Arbeitsverbote für Zugewanderte lehnt die SPD ab.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen wollen ein modernes Einwanderungsgesetz erlassen, das neue Zugangswege für Bildungs- und Arbeitsmigration schafft und transparente, unbürokratische und faire Verfahren bietet. Dieses soll auch jenen zuwanderungswilligen Menschen Möglichkeiten für die Beschäftigung bieten, die ihre Bildungsabschlüsse nicht formal nachweisen können oder anerkannt bekommen. Sie möchten dazu beispielsweise eine punktebasierte Talentkarte einführen, die abhängig vom Arbeitskräftebedarf genutzt wird, um qualifizierte Fachkräfte zu identifizieren. Zudem planen die Grünen das Einbürgerungsverfahren zu vereinfachen und Regelungen für einige Zugewanderte wie das Arbeitsverbot, die pauschale Wohnsitzauflage sowie Leistungskürzungen abzuschaffen. Sie betonen, dass Zugewanderte ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in eigenen Wohnungen haben und dass ihnen ein breites Beratungsangebot und der Zugang zu Gesundheits- und Sozialleistungen, zu Kitas, Bildungseinrichtungen und Arbeit gewährleistet werden muss. Zudem möchten die Grünen Ländern, die den Schutz rückgeführter Asylbewerberinnen und Asylbewerber garantieren, im Gegenzug Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften in Aussicht stellen.
FDP
Die FDP plädiert für ein Einwanderungsgesetzbuch, um klare Regeln für die Einwanderung zu schaffen. Für eine verständliche und leicht steuerbare Einwanderung in den Arbeitsmarkt möchte sie ein Zwei-Säulen-System einführen. Die erste Säule soll die Blaue Karte EU reformieren. Dieser Weg der Fachkräfteeinwanderung soll damit auch für nicht-akademische Fachkräfte mit Arbeitsplatzangebot zugänglich werden. Die zweite Säule soll ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen, das dafür sorgt, dass Fachkräfte auch ohne Arbeitsplatzangebot zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen können. Wichtige Kriterien sollen hierbei der Bildungsgrad, Deutsch- und Englischkenntnisse, Alter, Berufserfahrung und der aktuelle Fachkräftebedarf auf dem Arbeitsmarkt sein. Zudem möchten die Liberalen mit ausgewählten Partnerländern zusammenarbeiten, sodass potentielle Zuwanderer:innen bereits in ihrem Heimatland die Möglichkeit haben, an Deutschkursen teilzunehmen und sich auf das Leben in Deutschland vorzubereiten.
Die Linke
Die Linke möchte, dass alle Zugewanderte über eine sogenannte Teilhabeagenda rechtlich, politisch und sozial gleichgestellt werden. Sie setzt sich für offene Grenzen in einem solidarischen Europa ein, das sich nicht abschottet. Dabei sieht sie in der Zuwanderung die Chance, die Altersstruktur in Deutschland zu verjüngen und plädiert für eine solidarische Einwanderungsgesellschaft mit sozialer Sicherheit für alle. Um Zugewanderte schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sollen Qualifikationen und Abschlüsse von Nicht-EU-Bürger:innen besser anerkannt werden und eine anständige Ausbildung, Arbeitsbedingungen und Bezahlungen für alle Menschen durchgesetzt werden. Migrantinnen und Migranten sollen nach fünf Jahren Aufenthalt in der Bundesrepublik einen Rechtsanspruch auf eine Einbürgerung haben. In einem Bundespartizipationsgesetz sollen Chancengleichheit und Teilhabe in Ausbildung, Beruf und Gesellschaft für Zugewanderte sichergestellt werden. Die Partei fordert außerdem, dass antirassistische Initiativen und solche, die Integrationsarbeit leisten, mehr finanzielle Unterstützung erhalten sollen.
AfD
Die AfD möchte das derzeitige Einwanderungsgesetz reformieren. Sie setzt sich für die Ausarbeitung eines identitätswahrenden migrationspolitischen Ansatzes ein. Die AfD meint, dass große Migrationsbewegungen Lohndruck auf die unteren und mittleren Einkommen erzeugen und zu Konkurrenz um Sozialleistungen führen. Sie teilt nicht die Ansicht, dass in Deutschland Fachkräftemangel herrsche, dem qualifizierte Einwanderung entgegenwirke. Daher lehnt sie ab, Fachkräftemangel als Kriterium für die Einwanderung heranzuziehen. Bei qualifizierten Zuwanderer:innen setzt die Partei eine hohe Integrationsbereitschaft voraus. Den Fokus möchte sie auf den Spracherwerb legen, den sie bis zum Niveau B2 unterstützen möchte.
Adrián Carrasco Heiermann
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Dr. Frederick Sixtus
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