Alterung und Pflege

Als das wiedervereinigte Deutschland 1990 zum ersten Mal über einen Bundestag abstimmte, waren etwa 15 Prozent der Bevölkerung über 64 Jahre alt. Inzwischen ist der Anteil dieser Gruppe auf etwa 22 Prozent gestiegen, bis zum Jahr 2035 wird er vermutlich sogar über 27 Prozent betragen. Die Alterung der Bevölkerung führt zu steigenden Gesundheits- und Pflegekosten. Denn mit dem Alter wächst das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronische Lungenerkrankungen, Diabetes oder Demenz. Zudem dürfte die Zahl der Pflegebedürftigen künftig stark steigen. Nach Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung könnte es im Jahr 2030 voraussichtlich 3,5 Millionen pflegebedürftige Menschen geben – im Vergleich zu 2013 entspräche dies einem Anstieg von 35 Prozent. Damit sich künftig mehr Menschen für kräftezehrende Arbeit in der Pflege entscheiden, muss das Berufsfeld attraktiver werden. Die nächste Bundesregierung kann die Rahmenbedingungen für eine bessere Entlohnung und weniger Arbeitsbelastung in den Pflegeberufen schaffen, welche gleichzeitig diejenigen entlastet, die Angehörige zuhause pflegen. Weniger Bürokratie bei Anträgen für Pflegeleistungen und mehr Informationen über Leistungsansprüche würden hierbei Abhilfe schaffen. Alle Wahlprogramme der großen Parteien versprechen verbesserte Arbeitsbedingungen in der Pflege. Sie verfolgen jedoch unterschiedliche Ansätze, um das Pflegesystem zu reformieren.

CDU/CSU

Die CDU/CSU möchte die Rahmenbedingungen in der Pflege verbessern und begreift diese als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Um auf einen erhöhten Pflegebedarf besser reagieren zu können, möchte die CDU/CSU die Angebotsstrukturen für Pflegebedürftige, Fachpersonal und Angehörige umorganisieren. Dafür soll auch die Trägerlandschaft in der Pflege vielfältiger werden, da durch mehr Wettbewerb unter gemeinnützigen und privaten Trägern ein besseres Angebot zu erwarten sei. Die Union möchte weitere 500 Millionen Euro für innovative Ansätze in der Pflege wie Robotik und Digitalisierung ausgeben, um Pflegekräfte zu entlasten und die Lebensqualität von Älteren zu verbessern. Zusätzlich möchte die CDU/CSU Gesundheits- und Pflegeberufe attraktiver gestalten, indem sie die Arbeitsbedingungen verbessert und in die Aus- und Weiterbildung von Pflegekräften investiert. Außerdem möchte sie bürokratische Hürden abbauen, damit Ärzt:innen und Pflegepersonal mehr Zeit für die Pflege ihrer Patient:innen bleibt. Der Zugang zur Hospiz- oder Palliativpflege soll garantiert werden.

SPD

Die SPD möchte die Zahl der Nachwuchskräfte in der Pflege bis zum Jahr 2030 verdoppeln, indem sie die Ausbildung attraktiver gestaltet und entlohnt und Schulgelder abschafft. Sie möchte allgemeinverbindliche Branchentarifverträge einführen, die dazu beitragen, dass sich Löhne und Arbeitsbedingungen verbessern. Neben einer Erhöhung der Mindestlöhne über die Pflegemindestlohnkommission möchte die SPD einen bundesweiten Personalbemessungsrahmen einführen. So sollen Arbeits- und Stressbelastung des Pflegepersonals sinken. Menschen, die Familienangehörige pflegen und dafür ihre Arbeitszeit reduzieren, sollen Anspruch auf 15 Monate Lohnersatz erhalten.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen möchten sich in der Pflege für bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal und Sicherheit für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörigen einsetzen. Um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, möchten die Grünen eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften stärken, die Arbeit in der Pflege entbürokratisieren und neue Arbeitszeitmodelle ermöglichen, wie etwa die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Menschen, die sich um Angehörige oder andere nahestehende Personen kümmern, sollen durch das Programm PflegeZeitPlus unterstützt werden. Erwerbstätige sollen die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeit zu kürzen und kurzzeitig vom Beruf zurücktreten können, um Angehörige zu pflegen. Zusätzlich möchten die Grünen den Ausbau digitaler Infrastruktur und technischer Assistenzsysteme in der Pflege vorantreiben. Damit Kommunen ihren Pflegebedarf eigenständig planen und vor Ort gestalten können, soll ein Bundesprogramm eine Anschubfinanzierung für die Kommunen bereitstellen. Außerdem betonen die Grünen, dass für ein Sterben in Würde die Patient:innen und deren Angehörigen über Krankheit und Behandlungsoptionen ausführlich aufgeklärt werden müssen.

FDP

Die FDP möchte Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern, indem sie den aktuellen Personalmangel bekämpft. Verbesserte Karrieremöglichkeiten und bedarfsgerechte Personalbemessung sollen dafür sorgen, dass sich mehr Menschen für den Pflegeberuf entscheiden. Die Liberalen möchten außerdem Abläufe in der Pflege entbürokratisieren, um die verfügbaren Pflegekräfte besser am Menschen einzusetzen. Leistungsansprüche sollen in ein monatliches Pflegebudget überführt werden, auf das Bedürftige ohne komplizierte Anträge zugreifen können. Digitale Anwendungen, Automatisierung und Robotik sollen bei der Betreuung von Bedürftigen verstärkt genutzt werden.

Die Linke

Die Linke möchte attraktivere Grundgehälter schaffen und dem Personalmangel in der Pflege entgegenwirken. So möchte sie einen pauschalen Gehaltsaufschlag für Pflegende in Höhe von 500 Euro brutto. Ein allgemeiner Flächentarifvertrag soll zu besseren Arbeitsbedingungen in Pflegeeinrichtungen beitragen. Zudem plant sie, 100.000 zusätzliche Pflegekräfte in Pflegeheimen und Krankenhäusern anstellen zu lassen. Außerdem spricht sich die Linke dafür aus, pflegende Angehörige zu entlasten. Pflegende Angehörige sollen unbürokratisch Zugang zu Entlastungsangeboten erhalten und so zum Beispiel bei einem Pflegefall in der Familie sechs Wochen von der Beschäftigung bei vollem Lohnausgleich freigestellt werden. Öffentliche und gemeinwohlorientierte Pflegeplattformen sollen Pflegekräfte sozialversichert und tariflich abgesichert beschäftigen. Der Anspruch auf Gewinn für private Pflegedienstleister soll abgeschafft werden.

AfD

Die AfD möchte eine angemessene Bezahlung von Pflegekräften über einen Flächentarifvertrag mit steuerfreien Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen erreichen. Außerdem möchte sie eine gesetzliche Personaluntergrenze einführen, die nur kurzzeitig überschritten werden darf, um Angestellte vor Überlastung zu schützen. Die Ausbildung der Pflegefachkräfte soll gefördert und finanziert werden. Zudem möchte die AfD Kurzzeitpflegeplätze durch die Pflegeversicherung finanzieren, um eine Betreuung nach einer Krankenhausbehandlung in Pflegeeinrichtungen oder Zuhause sicherzustellen. Außerdem schlägt die AfD die Zusammenlegung von sozialer Pflegeversicherung und gesetzlicher Krankenversicherung vor, um Schnittstellenprobleme bei der Versorgung von Pflegebedürftigen zu vermeiden. Kinderlosen Versicherten sei im höheren Maße zumutbar, eigene Rücklagen für den Pflegefall zu bilden.

Adrián Carrasco Heiermann

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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Dr. Frederick Sixtus

Projektkoordinator Demografie Deutschland

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