Aktuelles
  • Zum Weltverhütungstag 

Religion und Familienplanung – ein Widerspruch?

  • Internationale Demografiepolitik

Familienplanung zählt vielerorts noch als Tabuthema und scheint auf den ersten Blick nicht vereinbar mit vorherrschenden religiösen Überzeugungen. Zum Weltverhütungstag beleuchten wir den Mythos, dass religiöse Organisationen Selbstbestimmung und Familienplanung pauschal ablehnen. Ein Werkstattbericht aus unserer Arbeit zu Glaube und Demografie in Afrika.

Heute leben 1,4 Milliarden Menschen in Afrika. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen wird diese Zahl bis 2050 auf 2,5 Milliarden ansteigen. Dies mag sich dramatisch anhören, doch in den letzten Jahrzehnten hat sich das Bevölkerungswachstum in Afrika bereits verlangsamt. Vor 30 Jahren brachten Frauen auf dem afrikanischen Kontinent noch durchschnittlich knapp sechs Kinder zur Welt. Heute sind es durchschnittlich nur noch vier Kinder. Nach Berechnungen der UN-Expert:innen werden es bis 2050 voraussichtlich weniger als drei Kinder je Frau sein. Diese Projektionen können aber nur Realität werden, wenn sich die Lebensbedingungen für die Menschen in Afrika stets weiter verbessern und wenn mehr Frauen befähigt werden, selbstbestimmt über die Zahl ihrer Kinder entscheiden zu können und entsprechenden Zugang zu modernen Verhütungsmethoden haben.

Familienplanung erreicht noch nicht alle Frauen

Familienplanungsprogramme sind in Afrika weit verbreitet. In Ländern wie Äthiopien, Malawi, Marokko oder Ruanda ist Familienplanung – sprich, die Bereitstellung von Informationen, Mitteln und Methoden zur Empfängnisverhütung – schon lange in nationalen Gesundheitsprogrammen verankert. Trotzdem gibt es auf dem Kontinent einen hohen ungedeckten Verhütungsbedarf. 58 Millionen afrikanische Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren möchten eine Schwangerschaft vermeiden, aber ihnen steht entweder keine moderne Methode (wie Pille oder Kondom) zur Verfügung oder sie verlassen sich auf weniger effektive traditionelle Methoden. Dies hat zur Folge, dass jedes Jahr 43 Prozent aller Schwangerschaften in Afrika ungeplant sind.

Religion und Familienplanung sind vereinbar

Ohne die Freiheit, informiert und verantwortungsbewusst über die Anzahl ihrer Kinder und den zeitlichen Abstand zwischen deren Geburten entscheiden zu können, steht für viele Frauen ein selbstbestimmtes Leben auf dem Spiel. Doch in vielen Ländern ist Verhütung bis heute mit Tabus belegt. Hoffnung auf einen positiven Wandel bereitet nun die Zusammenarbeit mit Akteuren, die lange eher als Hindernis in der Familienplanung galten: religiöse Organisationen. Ihre Vertreter:innen genießen in vielen Teilen Afrikas hohes Vertrauen. In Westafrika zum Beispiel hören drei Viertel aller Menschen bei sensiblen Themen wie Kinderzahl oder Sexualität auf den Rat ihres Priesters oder Imams.

Und entgegen weitläufigen Annahmen schließt etwa der Islam Familienplanung in seinen heiligen Schriften nicht explizit aus und auch Christinnen und Christen setzen sich vielerorts dafür ein, dass Frauen selbstbestimmt über Verhütung und Familienplanung entscheiden können. Unsere Studie „Glaube in Aktion – Wie religiöse Organisationen den demografischen Wandel voranbringen“, hat aufgezeigt, dass sich in vielen westafrikanischen Ländern religiöse Organisationen, Netzwerke oder einzelne Geistliche bereits zu diesen Themen engagieren. Zum Beispiel sammeln und verbreiten sie religiöse Argumente für Familienplanung: Sie argumentieren etwa, dass Mütter- und Kindergesundheit an erster Stelle stehen. Eng aufeinander folgende Schwangerschaften sollten diese nicht gefährden. Und unter verantwortlicher Elternschaft verstehen sie, dass Paare so viele Kinder bekommen, wie sie auch versorgen können.

Religiöse Organisationen und Geistliche als Partner

Religiöse Autoritäten und Akteur:innen können entscheidend dazu beitragen, die Akzeptanz für Familienplanung in ihren Organisationen sowie in den Gemeinden zu erhöhen. Im Vergleich zu säkularen Akteuren erreichen die Vertreter:innen aus Islam, Christentum oder indigenen Religionen auch Menschen mit besonders konservativen religiösen Einstellungen und werden von diesen gehört. Noch stellen diejenigen, die sich bereits für Familienplanung engagieren, sicherlich keine Mehrheit in den Religionsgemeinschaften dar. Daher gilt es, das vorhandene Potenzial zu nutzen und mehr Gläubige für diese Themen zu gewinnen. Säkulare Partner von religiösen Organisationen können diese beispielsweise stärker in ihre Strategien zu Familienplanung einbinden. Hierbei ist es wichtig, eine Sprache zu finden, die den Glauben der Menschen respektiert. Im gegenseitigen Austausch zwischen religiösen und säkulären Organisationen liegt der Schlüssel: Mehr Religionsgemeinschaften und Geistliche als Partner in die Familienplanung einzubeziehen ist letztlich ein Gewinn für alle, vor allem aber für afrikanische Frauen – und Männer.

ANSPRECHPARTNER:INNEN

Catherina Hinz

Geschäftsführende Direktorin

Telefon: 030 - 22 32 48 45

E-Mail schreiben: hinz@berlin-institut.org

© Berlin-Institut

Colette Rose

Projektkoordinatorin Internationale Demografie

Telefon: 030 - 31 01 95 91

E-Mail schreiben: rose@berlin-institut.org

© Berlin-Institut

nach oben