In vielen Bereichen zeigt sich Deutschland nach wie vor geteilt
In der Fußball-Bundesliga spielt seit der Saison 2008/09 kein einziger Klub aus Ostdeutschland mehr. Landwirtschaftliche Betriebe in Ostdeutschland erzielen dank großer Flächen und weitgehender Rationalisierung eine höhere Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen als Bauernhöfe im Westen, die vergleichsweise kleine Flächen bewirtschaften und meist von Familien betrieben werden. Ostdeutsche PKW-Besitzer fahren eher preisgünstige Automobilmarken wie Skoda, während Westdeutsche deutlich mehr Edelkarossen wie BMW oder Mercedes lenken.
Profifußball, Agrarbetriebe und Ausgaben für Luxusgüter – das sind nur drei von 25 Themenfeldern, in denen das Berlin-Institut untersucht hat, wie weit das einst geteilte Deutschland in den vergangenen 25 Jahren zusammengewachsen ist. Die Landkarten in der neuen Studie mit dem Titel „So geht Einheit“ fördern ein verblüffendes Bild zutage: Ob bei der Bevölkerungsentwicklung, der Wirtschaftskraft, den Vermögen, den Erbschaften oder der Größe der landwirtschaftlichen Betriebe – überall zeichnet sich ziemlich exakt die alte Grenze ab.
Nicht immer schneidet dabei der Osten schlechter ab. Zwar verdienen Ostdeutsche nach wie vor nur drei Viertel des Durchschnittseinkommens Westdeutscher und weisen aufgrund der kleinteiligen Wirtschaftsstruktur eine niedrigere Produktivität auf. Aber bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen und bei der Kinderbetreuung liegt der Westen noch weit unter dem Ostniveau. Auch die Vorstellung, dass Kinder Schaden davontrügen, wenn sie schon im zarten Alter zeitweilig außerhalb des eigenen Zuhauses betreut werden, ist im Osten deutlich schwächer ausgeprägt.
In manchen Bereichen entstehen anstelle der alten Ost-West-Unterschiede auch Differenzen entlang anderer Dimensionen: Zwar haben die fünf Flächenländer im Osten seit der Einheit massiv Bevölkerung verloren, vor allem durch Abwanderung junger Menschen, während der Westen weiterhin wächst. Insgesamt legen aber vor allem die Städte zu, und in entlegenen ländlichen Gebieten schwindet die Bevölkerung.
Weitgehend angenähert haben sich Ost und West etwa bei den Bildungsabschlüssen, den Konsumgewohnheiten und den Kinderzahlen: Nach dem „Geburtenloch“, dem massiven Einbruch der Kinderzahl je Frau in den neuen Bundesländern zu Beginn der 1990er Jahre, hat sich dieser Wert inzwischen bundesweit bei rund 1,4 eingependelt. In einigen Teilen Ostdeutschlands liegt er heute sogar über dem Durchschnitt, was vor allem an dem geringeren Anteil Kinderloser liegt.
An solchen Indikatoren zeigt sich, dass nicht nur die Teilung und die Jahre unter gänzlich unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen nachwirken. Auch die gewaltigen Umbrüche, die vor allem Ostdeutschland nach dem Fall erlebte, hinterlassen immer noch Spuren. Nach der Einschätzung von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, den das Berlin-Institut für die Studie interviewt hat, macht sich bis heute bemerkbar, dass die Löhne und Preise in der DDR von einem Tag auf den anderen im Verhältnis 1:1 auf die D-Mark umgestellt wurden. Hingegen lobt Schmidt, dass der damalige Kanzler Helmut Kohl mit seinem Zehn-Punkte-Plan die politische Einheit entschlossen vorantrieb.
Mit diesem Willensakt war der Grundstein gelegt. Dass sich 25 Jahre später immer noch so viele Unterschiede zwischen Ost und West finden, zeigt jedoch, dass Einheit ein langsamer Prozess ist, der mindestens noch eine Generation dauert.
Die Studie „So geht Einheit“ wurde vom GfK Verein und dem Förderkreis des Berlin-Instituts gefördert.