Pressemitteilung
  • Studie 

Vom Bleiben und der Rückkehr aufs Land – Wie sich das Wanderungsgeschehen in Hessen gewandelt hat

  • Demografischer Wandel Lebensverhältnisse in Stadt und Land

Die neue Publikation betrachtet das aktuelle Wanderungsgeschehen in Hessens Gemeinden und Städten.

Immer mehr Hessinnen und Hessen ziehen aufs Land. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung im Auftrag der Hessischen Staatskanzlei.

Während zum Ende der 2000er Jahre die meisten ländlichen Gemeinden Einwohnerinnen und Einwohner durch Abwanderung verloren und vor allem die Großstädte samt Speckgürtel Menschen in großer Zahl lockten, zählen die Dörfer und Kleinstädte heute zu den Wanderungsgewinnern. Catherina Hinz, Direktorin am Berlin-Institut hält fest: „Der Trend zur Stadt-Land-Wanderung lässt sich in ganz Deutschland erkennen. Unsere Analyse zur Wanderungsstatistik in Hessen zeigt nun deutlich, dass sich hier besonders viele Menschen für ein Leben auf dem Land entscheiden.“

Die Untersuchung vergleicht die durchschnittlichen jährlichen Wanderungssalden pro tausend Einwohnerinnen und Einwohner der Jahre 2009 bis 2011 mit jenen der Jahre 2019 bis 2021. Noch vor zehn Jahren verbuchten weniger als ein Viertel der Landgemeinden Hessens Wanderungsgewinne (27 von 120) – sie verloren im Mittel 3,6 Personen pro tausend Einwohnerinnen und Einwohner durch Wegzüge. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet: Zuletzt zogen in fast drei Viertel der Landgemeinden in Hessen (89 von 120) mehr Menschen zu als fort. Im Schnitt gewannen sie 3,8 Personen pro tausend Einwohnerinnen und Einwohner. Auch die hessischen Kleinstädte erlebten eine ähnliche Entwicklung.

Dabei gewannen in den letzten Jahren nicht nur die kleineren Gemeinden rund um die Großstädte im Rhein-Main-Gebiet, sondern auch Regionen von Nord- bis Südhessen, die weiter abseits von den urbanen Zentren liegen. „Diese Zahlen belegen die Attraktivität der ländlichen Räume. Sie bieten nicht nur großartige Naturlandschaften und Naherholungsräume für die Menschen, sondern sind Heimat vieler Mittelständler und Familienunternehmen“, so der Ministerpräsident Hessens Boris Rhein.

In Hessens Großstädten hingegen ist der Wanderungssaldo gesunken. Vier der fünf Großstädte verloren im Zeitraum 2019 bis 2021 Bewohner und Bewohnerinnen durch Wegzüge aufs Land, einzig in Offenbach am Main zogen mehr Menschen zu als fort. Zehn Jahre zuvor konnten noch alle Großstädte des Bundeslandes deutliche Wanderungsgewinne von durchschnittlich acht Personen pro tausend Einwohnerinnen und Einwohnern verzeichnen.

Die Pandemie hat Stadtfrust und Landlust verstärkt

Verschiedene Faktoren können erklären, warum inzwischen vor allem die kleineren Gemeinden zu den Wanderungsgewinnern zählen. Die rasant steigenden Wohnkosten in den Ballungsräumen führen dazu, dass sich viele Menschen ihre Wunschimmobilie nur noch weit außerhalb des Stadtkerns leisten können. Zudem haben viele Menschen in der Stadt während der Coronapandemie ihre Wohnortwahl hinterfragt. Inzwischen weitverbreitete mobile und flexible Arbeitsmodelle schaffen dabei mehr Entscheidungsfreiheit, sodass auch ländliche Gegenden jenseits der üblichen Pendeldistanz als Zuhause in Frage kommen. „Der Trend, dass kleinere Gemeinden Hessens neue Landbewohnerinnen und -bewohner anzogen, hat sich schon 2018 abgezeichnet – die Coronapandemie hat diese Entwicklung dann noch verstärkt,“ erklärt Thomas Nice, Studienautor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berlin-Institut.

Insbesondere Familien zieht es aufs Land

Vor allem zwei Altersgruppen sorgten zuletzt für die Wanderungsgewinne in ländlichen Räumen. Erstens tauschten junge Familien immer häufiger ein Leben in der Großstadt gegen ein Leben im Grünen ein. Und zweitens wanderten weniger junge Menschen aus den Dörfern und Kleinstädten in die Mittel- und Großstädte ab. Das dürfte vor allem auf die Corona-Schutzmaßnahmen zurückzuführen sein, die sich besonders auf junge Menschen auswirkten – etwa, weil Vorlesungen nur noch digital stattfanden und Kulturveranstaltungen über Monate ausfielen. Viele junge Erwachsene blieben zunächst im Elternhaus und warteten das Ende der Maßnahmen ab, bevor sie für das Studium, die Ausbildung oder den ersten Job ihre Wohnortwahl trafen. Die Gewinne ländlicher Räume ergeben sich also nicht nur aus dem Zuzug aus den Städten, sondern auch aus dem Dableiben der Jüngeren.

Der vermehrte Zuzug von jungen Familien kann das Schrumpfen und Altern in Hessens Landgemeinden und Kleinstädten nicht ganz umkehren. Von den 344 hessischen Gemeinden, die zwischen 2019 und 2021 im Schnitt Wanderungsgewinne verzeichneten, ist trotzdem mehr als jede Dritte geschrumpft. Die Zuziehenden können aber helfen, die Folgen des demografischen Wandels in Landgemeinden und Kleinstädten etwas abzubremsen. Fast die Hälfte der Zuziehenden in hessischen Landgemeinden war zwischen 2019 und 2021 unter 30 Jahre alt, in der Gesamtbevölkerung in ländlichen Gemeinden ist es gerade einmal jede vierte Person. Ministerpräsident Boris Rhein unterstreicht: „Mehr Menschen im Erwerbsalter können für eine steigende lokale Nachfrage sorgen, den Fachkräftemangel abmildern und sich vor Ort in Vereinen und der Nachbarschaftshilfe engagieren. Das fördert die Lebensqualität unserer ländlichen Räume.“

Die Studie

„Vom Bleiben und der Rückkehr aufs Land - Wie sich das Wanderungsgeschehen in Hessen gewandelt hat“

steht Ihnen kostenlos als Download zur Verfügung unter:

Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung | Vom Bleiben und der Rückkehr aufs Land

Die Publikation wurde von der Hessischen Staatskanzlei beauftragt.

 

Bei Rückfragen helfen wir Ihnen gerne weiter:

Thomas Nice, nice@berlin-institut.org, Tel.: 030 31017767
Catherina Hinz, hinz@berlin-institut.org, Tel.: 030 2232 4845

 

Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist ein unabhängiger Thinktank, der sich mit Fragen regionaler und globaler demografischer Veränderungen beschäftigt. Das Institut wurde 2000 als gemeinnützige Stiftung gegründet und hat die Aufgabe, das Bewusstsein für den demografischen Wandel zu schärfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern, neue Ideen in die Politik einzubringen und Konzepte zur Lösung demografischer und entwicklungspolitischer Probleme zu erarbeiten. In seinen Studien, Diskussions- und Hintergrundpapieren bereitet das Berlin-Institut wissenschaftliche Informationen für den politischen Entscheidungsprozess auf. Weitere Informationen, wie auch die Möglichkeit, den kostenlosen regelmäßigen Newsletter „Demos“ zu abonnieren, finden Sie unter www.berlin-institut.org.

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